Familie BURON
Die Geschichte meiner Vorfahren
in Deutschland

Angekommen

Im Oktober 1944 trafen sie in Deutschland ein. Ihr Weg führte über Bad Langensalza und Bad Blankenburg nach Apolda, wo die zweite Schwester meines Vaters geboren wurde. Dort bekam mein Großvater die Leitung einer Schweinemästerei übertragen. Mein Vater arbeitet darin als Heizer. Und dann wurde er im Winter doch noch zur Wehrmacht eingezogen, erhielt vier Wochen Ausbildung in Hanau, hernach in Frankfurt und im Taunus, wurde anschließend wenige Tage in Walldorf als Melder eingesetzt, bevor er am 27. März in amerikanische Gefangenschaft geriet.

Metebach bei Gotha, wo seine Eltern und Geschwister bereits den neuen Hof bewirtschafteten, erreichte er so erst 1947. Sie waren auch da zunächst die "Umsiedler", hatten aber zum Bewirtschaften Bodenreformland bekommen. Heute steht nur noch das Wohngebäude an jenem Platz.
Mein Vater lernte in diesem kleinen Dorf meine Mutter kennen und sie  heirateten im Dezember 1948.

Doch auch in Metebach war es anfangs für sie noch immer nicht "ganz vorbei". Die Russen holten kurze Zeit nach Kriegsende eines Tages den Großvater ins Internierungslager ab. Man wollte ihn zurückschicken, berichtete Vater, weil er doch die russische Staatsbürgerschaft besitzen würde. Was das bedeutet hätte, habe ich erst verstanden, nachdem so vieles über Stalins unmenschliches Regime nach dem Kriegsende bekannt geworden war. 
In Deutschland war übrigens Buchenwald so "erneut belegt" worden. Stalin hat Engländer, Amerikaner und Franzosen in Sibirien gefangen gehalten, und wer als Russe von Deutschland zurück kam, den hat das gleiche Schicksal ereilt. Es ist wirklich kein Wunder, dass meine Großeltern irgendwann endlich Deutsche sein wollten und den Unterlagen nach eben in "Bessarabien geboren waren".  Mit den Russen unter Stalin wollten sie nichts mehr zu tun haben.

Erst anhand der EWZ-Unterlagen zur Umsiedlungsaktion 1940 konnte belegt werden, dass mein Großvater die deutsche Staatsangehörigkeit besaß und wurde aus dem Lager entlassen. Obendrein heißt es, dass man dazu, andere Umsiedler betraf es wohl auch, erst hat an die damalige neue Regierung in Halle schreiben müssen.






Noch heute leben etliche der bessarabischen Umsiedler von damals, jene, die sich nicht wieder im Süden Deutschlands angesiedelt haben, sondern weitergezogen sind, in dieser Region Thüringens. Es waren vielfach Rauchs, aber auch Schmidt und Nunweiler.

Taubert - Mutters Familie

Über sie berichte ich ein wenig mehr im betreffenden Fotoalbum auf der Medienseite (Chronik). Ihre Familienhistorie ist etwas "unspektakulär". Über  viele Jahrhunderte hinweg, wenn nicht gar schon immer, waren sie in dieser Region um Aspach und Metebach beheimatet. Auf dem Hintergrundbild dieser Seite sieht man die Orte. Aspach liegt darauf am Horizont, weiter vorne ist Metebach. Es ist die Landschaft meiner Kindheit, denn auch als wir in Tabarz wohnten, verbrachte ich jede Ferien bei den Großeltern Taubert. 


In Tabarz

Einige Jahre darauf erwarb nämlich der Großvater Land in Tabarz, baute dort ein Haus, pachtete dazu und blieb  bis zur Rente Landwirt. Kurze Zeit später folgte mein Vater seinen Eltern in diesen hübschen Ort am Fuß des Thüringer Waldes nach, erlernte hier sogar noch den Beruf eines Schlossers, arbeitete in der "Schwarzen" und betrieb das bäuerliche Handwerk nur für den Eigenbedarf. Mein Großvater soll wohl noch in den ersten Jahren in Reithosen und -stiefeln auf dem Pferd durch den Ort geritten sein. Anschluss an die Leute im Ort fanden die Großeltern nicht. Sie waren ja auch  immer "ein bisschen anders" und sind misstrauisch geblieben. Bei ihnen  gab es natürlich noch oft die bessarabischen Gerichte, die ich sehr lecker fand, und auch die Sprache war eine spezielle Mundart. Eine äußerst wohlklingende,  die ich selbst leider nie lernte.
Tabarz war für meinen Vater das erste Mal eine wirkliche Heimat. Eine, in der er akzeptiert war, nicht erneut wieder verschwinden musste, so wie seine Vorfahren, auch wenn ihre frühere  Ansiedlung im Generalgouvernement ihnen anfänglich in der DDR ziemliche Schwierigkeiten bereitete. In der kurzen Video-Sequenz (Ausschnitt des in Arbeit befindlichen Teil 3) erzählt er darüber.


Unwissenheit und vorschnelle Be- oder Verurteilungen hat es halt überall und in den Jahren bis 1961 herrschte im Osten noch ein straffes Regime. Aber seine Arbeit war sicher, die Familie gut versorgt, und so konnte er sich in Tabarz sogar ein Grundstück leisten und ein eigenes Häuschen bauen, selber natürlich. Das einzige, was ihm fehlte, war der weite Blick übers Land und so fuhren wir immer mal wieder nach Gotha oder Metebach und Aspach. In Gotha lebten die Brüder meiner Mutter mit ihren Familien. Der Älteste hatte übrigens auch eine "Umsiedlertochter" geheiratet.

Die DDR bot meinem Vater das, was er nie gehabt hatte: Stabilität. Es war der Staat, in dem er sich am wohlsten gefühlt hat, wie er auch nach "der Wende" noch sagte, was ich sehr gut verstehen kann. Hier erhielt er als schon lange Erwachsener auch noch mal die Möglichkeit, einen ordentlichen Beruf zu erlernen, was ihm zuvor ja verwehrt gewesen war. Politisch blieb er kritisch, egal welchem System gegenüber, denn dazu hatten sie alle zu viel erlebt.

Als mein Vater im November 2012 starb, habe ich natürlich zur Trauerfeier auch das bessarabische  Heimatlied erklingen lassen. Er hätte seine frühere Heimat trotzdem gerne noch einmal besucht. Leider hatte das  nie geklappt und somit wohl auch nicht sein sollen. Meine Großeltern trugen diesen Wunsch nicht in sich. Meine Oma wollte nicht mal, dass wir, ihre Enkel dorthin reisen und sehen, wie ärmlich sie früher in Neu-Strymba gelebt haben.


 




Ein Nachwort

Die Schwester (Eva) meines Großvaters zog nicht mit nach Thüringen, sondern nach Österreich. Ich vermute, sie tat es noch gemeinsam mit ihrem damaligen Mann Adam Rauch, der sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet hatte, da er angeblich ein glühender Anhänger Hitlers gewesen war, und im Krieg gefallen ist. Wie ich viele Jahre später in Unterlagen fand, gilt er als im Tatragebiet vermisst. Meine Großtante Eva heiratete ein zweites Mal, einen Österreicher,  und lebte bis zu ihrem Tod in Graz. Sie und ihr Mann Franz besuchten uns regelmäßig ein Mal im Jahr und als es "gelockerter" bzw. ohne Probleme möglich wurde, wir sie auch in Graz.

Andere engere Verwandte dieser Buron-Familie wohnten in unmittelbarer Nähe, in Waltershausen, und noch weitere waren bereits zeitig nach Amerika, Kanada und Brasilien ausgewandert. Die Verwandten aus der Region Quebec kamen ebenfalls mal nach Tabarz zu Besuch, genau wie jene, die ganz andere Wege genommen hatten und dann in Kasachstan beheimatet waren.

Immer wieder in der ganzen Welt verstreut.
Mein Sohn scheint es ihnen nachzumachen. Es zog ihn schon vor Jahren nach Österreich.
Seit ich den Film über die Geschichte meiner Vorfahren fertigte, stehe ich selbst dem Thema Auswandern äußerst skeptisch gegenüber. Sie waren doch alle über die Jahrhunderte und in jedem Land nur "die Fremden" und sobald sich der Wind drehte, besaßen sie keinerlei Fürsprecher mehr. Heimat und Wurzeln haben für mich seither eine andere Bedeutung, obwohl ich all die Jahre gerne verreiste und immer wieder so gern Neues kennenlernte. Aber wie ich sehe, hat sich der Mensch doch über all die Jahrhunderte kein bisschen verändert.